Die Sache mit der Bowlingkugel- eine Übung für bessere Körperbalance

In einem spannenden und lehrreichen Gastbeitrag schreibt die Flötistin Angela Adam über das besondere Verhältnis der Körperbalance beim Musizieren. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen! Hallo zusammen, ich freue...

In einem spannenden und lehrreichen Gastbeitrag schreibt die Flötistin Angela Adam über das besondere Verhältnis der Körperbalance beim Musizieren. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Hallo zusammen, ich freue mich sehr über die Einladung hier einen Gastbeitrag schreiben zu dürfen! Mein Name ist Angela Adam und normalerweise findest du mich auf dem Blog „Einfach Querflöte“, wo ich Tipps für das eigene Üben oder auch für das Unterrichten vorstelle. Meine Tipps richten sich vorwiegend an andere Querflöten-Mitstreiter, aber solltest du ein anderes Instrument spielen, kannst du meine Tipps bestimmt auch entsprechend abwandeln.

Eine beliebte Blog-Rubrik sind die „Verrückten Übe-Ideen“, wo ich regelmäßig Übungen zeige, die man so vielleicht noch nicht gekannt hat. Ein gewisser Schwerpunkt liegt hierbei auf einfachen Bewegungs- und Lockerungsübungen.

 

Warum Lockerungsübungen so wichtig sind?
Als Flötisten haben wir eine besondere Ausgangslage, wenn es um Körperhaltung und Körpergefühl geht. Unser Instrument gibt uns eine asymmetrische Körperhaltung vor. Unsere Körperseiten werden schon von vornherein unterschiedlich beansprucht.
Je lockerer und entspannter der eigene Körper aber beim Musizieren bleibt, umso besser. Ein längeres Konzert oder eine Probe sind beispielsweise nicht so anstrengend.
Beim Üben können wir unsere volle Aufmerksamkeit dieser einen verflixten Stelle widmen und sind nicht dauernd von irgendwelchen Schmerzen oder einem „Unbequem-Gefühl“ abgelenkt. Und wo es sich total bemerkbar macht, ist im Klang.
Denn je mehr Verspannungen wir lösen können, umso mehr dient unser eigener Körper als Resonanzraum und verstärkt damit unseren Klang. Ein Schwerpunkt meines Unterrichts und auch meines eigenen Spielens liegt daher bei dem Thema „Mehr Klang durch Entspannung“. Ich möchte dir hier einen kleinen Einblick geben, was sich dahinter verbirgt.
Am besten zeige ich dir das an einem einfachen Beispiel, das du direkt umsetzen kannst.

 

Das Ja-Gelenk
Ich möchte heute einfach mal deine Aufmerksamkeit an einen bestimmten Punkt deines Körpers lenken, auf das „obere Kopfgelenk“ oder auch das Atlanto-okzipital-Gelenk. Hier kannst du dir den Aufbau des Gelenks bei Wikipedia mal anschauen.
Anatomiebilder vor einer Bewegungsübung anzuschauen ist für mich immer sehr hilfreich. Keine Angst, du musst die Bilder nicht komplett verstehen – das überlassen wir den Ärzten und Physiotherapeuten 😉 – aber wenn man eine Körperpartie als Skizze direkt vor Augen hat, kann man sich in diesen Bereich des Körpers leichter hinein versetzen und ihm auch besser nachspüren.

Nun lass es uns erst einmal aufspüren und nachfühlen. Lege dir mal die Fingerspitzen in die Ohren, das obere Kopfgelenk befindet sich in der Verlängerung deiner Finger, also in etwa auf Höhe der Ohren, im Mittelpunkt des Schädels.
Noch deutlicher dir die Lage des Gelenks, wenn du nun einfach leicht mit dem Kopf nickst. Man kann das Gelenk daher auch das Ja-Gelenk nennen 🙂

 

Die Sache mit der Bowlingkugel und ihre Auswirkungen
Die meisten Menschen lassen den Kopf zu weit nach vorne hängen. Dies bringt den kompletten Körper aus seiner natürlichen Balance.
Ich vergleiche das gerne mit einer Bowlingkugel, die auf einem Stapel Kartons liegt. Wenn sie genau mittig darauf liegt, können die Kartons das Gewicht super halten.
Ist der Schwerpunkt der Kugel aber an der Kante des oberen Kartons, kracht sie zu Boden und der Stapel stürzt ein.
Dieser Vergleich ist übrigens gar nicht so weit hergeholt, ein menschlicher Kopf wiegt durchschnittlich so viel wie eine mittelschwere Bowlingkugel. Unser Skelett ist aber glücklicherweise so konzipiert, dass dieses Gewicht problemlos getragen werden kann – wenn alles gut ausbalanciert ist.

Lassen wir aber den Kopf zu weit nach vorne hängen, führt das zum einen zu Verspannungen im Nacken und Schulterbereich, aber auch im unteren Rücken, denn diese Bereiche müssen nun gegen den Zug des Kopfes arbeiten.
Mit einem verspannten unteren Rücken, kannst du nicht mehr richtig tief einatmen und dein Lungenvolumen nicht mehr voll ausnutzen.
Der Schulterbereich ist bei uns durch die Haltung zu einer Seite hin, sowieso schon ein „Problembereich“, dem wir Flötisten besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Wenn wir uns hier zusätzlich durch den zu weit nach vorne positionierten Kopf anspannen, erschwert uns dies auch eine freie Atmung und verkleinert einen Großteil unseres Resonanzraums. Verspannungen im Schulterbereich können sich außerdem auch über die Arme bis in die Hände auswirken und so unsere Fingertechnik negativ beeinflussen.

Bei uns Flötisten hat ein Hängenlassen des Kopfes nach vorne weiterhin auch Auswirkungen auf die Richtung des Luftstroms. Wenn wir den Kopf zu weit vorne haben, zielt der Luftstrom eher über die Flöte, wir gewöhnen uns an das Flötenkopfstück weiter zu uns hin zu drehen. Dies führt dazu, dass wir einen Großteil des Mundloches an der Mundlochplatte verdecken. Das hat einen negativen Einfluss auf die Intonation und auf die Lautstärke. Hallo, Lautstärke! Das ist doch für uns immer ein Problemthema, vor allem wenn wir in einem Blasorchester spielen. Da „kämpfen“ wir doch manchmal um jedes bisschen mehr Lautstärke.

Du merkst also, wie wichtig es ist hier auf eine gute Balance zu achten. Einen Fokus hierauf zu legen wird es dir erleichtern freier zu Atmen, entspannter und müheloser das Instrument zu halten und zu spielen, eine ausgewogenere Intonation zu erhalten und eine größere Lautstärke zu erzielen.

 

Die Übung
Lockere deinen Körper, indem du locker die Arme und Beine schüttelst, dich ordentlich streckst und den Kopf langsam und vorsichtig kreisen lässt.
Wichtig: Bei der Übung sollte nichts weh tun, wenn du also Schmerzen verspürst, beende die Übung!

Spüre das Ja-Gelenk auf (s.o.) und denke an das Bild der Bowlingkugel.
Bringe zunächst die Kartons genau übereinander, d.h. stelle dich gerade und aufrecht hin.
Versuche nun den Punkt zu finden, an dem die Bowlingkugel, also dein Kopf, mittig auf dem Kartonstapel liegt. Bewege dazu dein Ja-Gelenk vorsichtig hin und her und nimm den Kopf etwas nach hinten. Wenn der Kopf genau auf dem Gelenk ausbalanciert ist, hast du ein gewisses Gefühl von Leichtigkeit.
Ja, hier gehört der Kopf hin! Jetzt ist der Stapel mit der Bowlingkugel im Gleichgewicht!

Setze nun die Flöte vorsichtig an, ohne die Balance zu verlieren und spiele ein paar lange Töne. Wie fühlt sich das an? Wahrscheinlich ungewohnt, aber auch angenehm und mühelos. Beobachte die Richtung deines Luftstroms. Verändert sie sich? Kannst du das Kopfstück jetzt ein klein wenig weiter von dir weg drehen?

Wichtig ist, dass du dich langsam an die neue Position gewöhnst, damit du dich nicht aufs Neue verspannst. Wie bei jeder Gewohnheit, braucht auch das Eingewöhnen in diese neue Haltung seine Zeit. Denke auch dran, dass du dich auch in Balance beim Spielen bewegen darfst! Du sollst den Kopf jetzt nicht in der neuen Haltung festzurren!

 

Der Blick mit der Lupe
Dies war nur ein Blick auf einen Punkt deines Körpers. Man muss den Körper beim Musizieren natürlich immer als Ganzes sehen. Aber einzelne Bereiche mal „mit der Lupe“ zu betrachten lohnt sich. Denn so lernen wir nach und nach die entscheidenden Stellschrauben kennen und wissen wie wir diese zu händeln haben.

Auf meinem Blog www.einfach-querfloete.de findest du noch mehr solcher Übungen und Einblicke.
Außerdem findest du dort einen praktischen Flyer zum Download, mit einer Zusammenfassung der Bowlingkugel-Übung.

Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg mit der Übung!

Viele flötastische Grüße 😉
Angela

 

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